Tiere müssen ein klein wenig weniger leiden, weil die sie schlachtenden Menschen ein paar Rechte mehr bekommen – das geschieht derzeit, und ist wohl eine Art ‚Trickle Down‘: Dieser neoliberale Ausdruck soll besagen, wenn es den Reichen gut geht, haben auch die Armen was davon. Also wie Pferde füttern, damit auch Flug- und Kriechinsekten was zu Fressen haben.

Nach der vermuteten Ansteckung eines "Nerzfarm"-Mitarbeiters in den Niederlanden will deren Regierung die Pelztierzüchter durch Subventionsangebote bewegen, früher als geplant zu schließen. Unabhängig von der Pandemie müssen alle niederländischen Nerz­farmen laut Beschluss des Obersten Gerichtshofes bis 2024 den Betrieb einstellen. Und der deutsche Bundes­entwicklungsminister Gert Müller fordert die Schließung von Wildtiermärkten in Asien und Afrika – ebenfalls natürlich nur, um die Übertragung gefährlicher Krankheiten auf den Menschen einzudämmen.

Ob es durch die letzte Woche von der Bundesregierung beschlossenen Eckpunkte eines "Arbeitsschutzprogramms für die Fleischwirtschaft" für Schweine besser wird, ist allerdings nicht gesagt. Geplant sind u.a. ein Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie ab dem kommenden Jahr und höhere Bußgelder bei Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften. „Es gibt Momente, da muss man dem nervigen Virus auch mal dankbar sein, so furchtbar die Erkrankung für Betroffene auch ist. Etwa wenn durch die massenhafte Ansteckung der Schlachthofarbeiter mit Covid-19 die katastrophalen Zustände in der deutschen Fleischindustrie ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden“, schreibt Michaela Schießl im Spiegel (Triggerwarnung für das dortige Foto, auch darum stammt das hier auf diesem Blog verwendete nicht so ganz aus der Schlachthofrealität...). „Mit einem Mal ist sichtbar: Den Preis für unser Billigfleisch bezahlen Arbeiter, die oft ähnlich beengt und würdelos leben müssen wie die gequälten Kreaturen, die sie im Fließbandbetrieb abmurksen.“

Die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Fleischindustrie, Heike Harstick, mahnte gleich, durch ein Verbot der Anheuerung von Subunternehmen drohten gravierende wirtschaftliche Schäden: Für viele manuelle Arbeiten in der Fleischwirtschaft ließen sich keine Arbeitskräfte mehr auf dem deutschen Markt finden. Doch warum eigentlich? Weil alle Deutschen so tierlieb sind? Nein, sondern weil in der Lohnhöhe gleich vorausgesetzt ist, dass sie nicht für ein Leben in Deutschland reicht – außer, mensch quetscht sich während des Arbeitsaufenthaltes hierzulande in Sammelunterkünfte und arbeitet so viel, dass für Geldausgeben keine Zeit bleibt.

Sogar Bundesagrarministerin Julia Klöckner unterstützt die Pläne – und auch sie ist nicht als Vorreiterin für Tier­rechte bekannt. Erst kürzlich war aufgefallen, dass sie in einem Kochvideo (gesponsort von Kaufland und - ja: BILD) Fleisch aus der untersten "Haltungsform"-Kategorie verwendete - und nach einem kritischen Video darüber von den Veganern Gordon Prox und Alijoscha Muttardi (ihr Instagram-Kanal Vegan ist ungesund hat 122.000 Follower, auf facebook sind es 136.000 Abonnent*innen) diese Influencer kurzerhand auf ihren Social Media-Kanälen blockierte.

PS: Wer noch Zeit zu Hause verbringt und über einen Netflix Account verfügt, kann sich den Film Okja anschauen: die erste Netflix-Produktion, die es auf die Internationalen Filmfestspiele in Cannes schaffte. Nach der dortigen Pressevorführung kommentierte Regisseur Bong Joon Ho: "Ich wollte einen Film drehen, der die uralte Frage nach dem Verhältnis von Kapitalismus und Natur behandelt. Denn wir leben in einer kapitalistischen Gesellschaft, die uns glücklich macht, aber die Kehrseite sind schwindende Ressourcen und Tiere, die zwar mit uns leben, aber leiden müssen." Herausgekommen sind zwei spannende Stunden mit Anklängen an einen Kinderfilm, der Kindern nicht zumutbar ist, weil die Erfahrungen von Schweinen und Tierrechtsaktivist*innen sehr realistisch dargestellt werden.

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