"How dare you?", "Klimakrise made in Germany" und "Stopp Datteln": Lichtprojektionen zeigten in den letzten 24 Stunden deutlich, was die 500 Demonstrierenden vor Ort sowie viele weitere davon halten, dass der Energiekonzern Uniper heute - im Mai 2020 - ein nagel­neues Kohle­kraftwerk ans Netz gehen ließ. Sogar gegen den Rat der Klima­kommission der Bundesregierung, und im selben Monat, in dem das Wissenschaftsmagazin Science titelt: 2070: Zu große Hitze für Milliarden: "Wenn der Ausstoß an Treibhausgasen nicht gemindert wird, könnten in 50 Jahren bis zu drei Milliarden Menschen in Gebieten mit einer Durchschnittstemperatur von über 29 Grad Celsius leben. Das wäre außerhalb der klimatischen Nische, die für den Menschen ideal ist und die er seit mindestens 6.000 Jahren bewohnt."

Absurderweise wurden einige Protestierende von der Polizei herausgegriffen, auf den Boden geworfen und vor­übergehend festgehalten mit dem Vorwurf: Verstoß gegen das Vermummungsverbot. Wobei es ja bekanntermaßen derzeit eigentlich ein Vermummungsgebot gibt...

Über 111.000 Menschen hatten die campact-Petition Das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 darf nicht ans Netz! unterschrieben.

Das Argument, Datteln 4 ersetze noch schlimmere Kraftwerke, hatte beispielsweise der Spiegel schon vor Monaten als (NRW-Ministerpräsident Armin) Laschets krumme Kohlerechnung bezeichnet. Denn erstens gibt es keinen Grund, warum alte Kohlekraftwerke nicht ohne ein neues vom Netz gehen sollten. Zweitens handelt es sich bei so einer rechnerischen Ersetzung zum großen Teil um nur potenzielle Kraftwerkreserven, die aber im Gegensatz zu Datteln gar nicht mehr ausgeschöpft werden. Und drittens ist es im Gegenteil sogar so, dass sich noch saubere Energie dann weniger am Markt halten kann.

Zu den Protesten vor Ort aufgerufen hatten Fridays for Future, Ende Gelände, Extinction Rebellion, BUND, Greenpeace und örtliche Umweltinitiativen. Selbst etwa 150 ehemalige Bergleute schlossen sich dem Protest an. Für sie ist das neue Kraftwerk eine Provokation. Sie hatten ihre Arbeitsplätze verloren, als 2018 die letzte Zeche geschlossen wurde. Nun ist ein neues Steinkohlekraftwerk in Betrieb, das unter anderem mit Kohle aus Russland und Kolumbien befeuert wird. "Blutkohle", kommentierte Luisa Neubauer, Sprecherin von Fridays for Future in Deutschland. Die Kohle werde unter menschenrechtlich oftmals fragwürdigen Bedingungen gewonnen.

Zum Beispiel im Gebiet der indigenen Wayuu in Kolumbien. Schon 2009 nahm eine Aktivistin der Organisation Die Stärke der Frau Wayuu an der international besetzten Karawane Handel-Macht-Klima von einem Protest gegen die Welthandelsorganisation (WTO) in Genf zum Klimagipfel in Kopenhagen teil - während in dieser Zeit eine ihrer Compañeras ermordet wurde, wie pro Jahr über 200 Umweltaktivist*innen in der Verteidigung ihrer Lebensumwelt.

5.000 Wayuu sind in den letzten Jahren verhungert und verdurstet - denn während sie durchschnittlich über 0,7 Liter Wasser täglich verfügen, entnimmt das private Kohlebergbauunternehmen Carbones del Cerrejón jeden Tag 17 Millionen Liter aus dem Ranchería-Fluss, nur um den Staub auf den Wegen zu befeuchten, die sie für den Abtransport der Kohle benutzen.

Wer die Wayuu finanziell unterstützen möchte, kann dies derzeit hier tun - verlinkt über die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO).

"Das einzig Positive zu #Datteln4 ist die Vielfalt des Protests und die schönen Bilder im Netz", findet Fridays for Future München - wer mehr davon sehen möchte, gucke #StopDatteln4. Vor allem: Schöne Protestbilder können überall und jederzeit entstehen, auch ohne Kohlekraftwerk im Bild, und solange noch eines in Betrieb ist, ist das Anlass genug.

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