Polizist*en knien in mehreren US-amerikanischen Städten vor Demonstrierenden - das ist die wohl ungewöhnlichste Geste der Solidarität als Reaktion auf die Ermordung von George Floyd durch weiße Polizeikräfte. Und doch nur eine von vielen. Menschen liegen mit auf dem Rücken gefesselten Händen und rufen: "I can't breathe". "Say their names", fordern New Yorker Pflegekräfte auf ihrer Demonstration. Facebook-Beschäftigte sind in einen virtuellen Streik gegangen, um an den Protesten teilnehmen zu können (worauf automatische Emailantworten hinweisen) und um ihr Unternehmen unter Druck zu setzen, Präsident Trumps die Gewalt anheizenden Botschaften nicht ungefiltert durchzulassen. Taylor Swift twitterte direkt an Trump: „Nachdem du während deiner gesamten Präsidentschaft die Feuer der weißen Vorherrschaft und des Rassismus angefacht hast, hast Du jetzt die Nerven dazu, moralische Überlegenheit vorzutäuschen und dann mit Gewalt zu drohen?“

"Überall im Land protestieren die Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Gegen die Benachteiligung von Minderheiten. Gegen die Politik und das System“, fasst die Nachrichtenagentur AFP die Situation in den USA zusammen. Das geht aber auch hierzulande, wie erste Beispiele zeigen: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1137325.i-can-t-breathe-proteste-nach-brutalem-tod-von-george-floyd-auch-in-deutschland.html

Und eins lässt sich immer tun: unterschreiben. https://secure.avaaz.org/campaign/de/george_floyd_loc/?cyvfkbb

Solidarität heißt aber auch, aus weißer Position zu verstehen, nicht urteilen zu können, welche Form von Protest aus Schwarzer Position angemessen erscheint. Und wem es doch passiert: Solidarität heißt auch, bereit zu sein zu lernen. So wie der Oberbürgermeister von Altenburg, André Neumann, der sich nach einer entsprechenden Äußerung zwei Tage später selbst nominierte "für den dämlichsten und unpassendsten Tweet des Jahres 2020".

Trevor Noah, dessen Daily Show als Vorbild für die Heute Show gilt, bringt es in einem Video auf den Punkt: Wenn für einen selbst der Gesellschaftsvertrag nicht gilt, warum dann dessen Regeln achten? Auch in seiner Heimat Südafrika sei in der Apartheid Demonstrierenden gesagt worden: "This is not the right way to protest". Seine Antwort auf diese lebenslange Erfahrung: "There is no 'right' way to protest, because that is what protest is. It can not be 'right' because you are protesting against something that is stopping you." Wer Unbehagen fühle angesichts von Zerstörungen solle sich überlegen, was es mit Schwarzen mache, der Zerstörung Schwarzer Körper zusehen zu müssen.

Und welche Gefühle lässt der Fall des 2005 im Polizeigewahrsam in Dessau verbrannten Oury Jalloh bei Schwarzen in Deutschland aufkommen? Angeblich hat dieser sich selbst angezündet: Auf einer feuerfesten Pritsche, in einer bis zur Decke gefliesten Zelle, mit sensibler Gegensprechanlage versehen (zufällig gerade leise gestellt), alle halbe Stunde kontrolliert (nichts Auffälliges bemerkt), Jallohs Fesseln durch Eisenringe in Wand und Boden gezogen. Der angesprungene Rauchmelder wurde von den wachhabenden Polizisten abgestellt (Fehlalarme kommen ja immer mal vor). Das in der Durchsuchung von Oury Jalloh bei seiner Einlieferung seltsamerweise übersehene Feuerzeug, das er dann gefesselt lässig hervorgezogen und gebraucht haben soll – erst Tage nach dessen Flammentod in die Aservatenliste eingetragen –, weist weder Spuren seiner Kleidung noch seiner DNA auf. Auch hier ist es Solidarität, die Menschen noch 15 Jahre danach um die Anerkennung dieses Todes als Mord kämpfen lässt.

"Dass wir die deutsche Übersetzung dieses Buches nur wenige Tage nach der Ermordung von George Floyd bekannt geben, ist uns keine Freude. Wir wünschten, das Buch wäre nicht so aktuell", schreibt der Unrast-Verlag heute angesichts der deutschen Veröffentlichung von Ijeoma Oluos Schwarz sein in einer rassistischen Welt. Warum ich darüber immer noch mit Weißen spreche. Nach dem gewaltsamen Tod von Trayvon Martin im Jahr 2012, der damals im gleichen Alter war wie ihr Sohn Malcolm, begann Ijeoma Oluo in ihrem – bis dahin – Food-Blog, lang gehegte Sorgen zu teilen. Sechs Jahre später stand ihr Buch auf der Bestseller-Liste der New York Times. Teils biografisch, teils anekdotisch, aber immer analytisch, behandelt sie in zugänglicher Sprache, mit Humor und Verstand Fragen, die sich viele Weiße nicht zu stellen trauen. Unter anderem: Hat Polizeigewalt wirklich etwas mit ›Race‹ zu tun?

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