Dass Corona nicht vom Himmel fiel, sondern Naturzerstörung, Artensterben und die monopolisierte Agrarindustrie solche Viren regelmäßig hervorbringen, ist inzwischen weitgehend akzeptierte Tatsache. "Heute darum 5 Gründe, warum wir jetzt erst recht ein Saatgut-Commons brauchen", schreiben Lea Dobe und das Team von OpenSourceSeeds: Einer Initiative, die sich für die Produktion von freiem Saatgut engagiert - von allen Menschen anpflanzbar, vermehrbar und weiterzüchtbar, ohne dafür an Monopole zahlen zu müssen, die dieses Saatgut zu ihrem Eigentum erklären. Dafür hat OpenSourceSeeds eine spezielle Open-Source Lizenz entwickelt, welche - analog zur Freien Software - Privatisierung verhindert. Darüber hinaus setzen sie sich für Artenvielfalt und die Unterstützung gemeinnütziger Pflanzenzüchtung ein.
1. Saatgut-Commons stehen für Selbstversorgung statt Abhängigkeit: Das weltweite Ernährungssystem ist vielerorts gefährlich instabil. Exportverbote in einem Land führen zu Knappheit in einem anderen. Insgesamt ist die Abhängigkeit groß. Der Lebensmittel-Sektor ist überwiegend ein Geschäftsfeld von wenigen großen Konzernen.1 Dabei ist die Marktkonzentration im Saatgutbereich besonders hoch. Mehr als 60% des kommerziellen Saatgutes werden von nur 3 Konzernen kontrolliert.2 Zu Beginn der Pandemie haben die kurzzeitig leergefegten Supermarktregale uns einen Schrecken eingejagt. Vielen wurde zum ersten Mal bewusst, dass Supermarktregale sich nicht von selbst füllen. Wir bemerken plötzlich, wie abhängig wir sind. Und es lässt uns nach Alternativen fragen. Open-source Saatgut ist eine solche Alternative, denn es erschafft ein Saatgut-Commons in dem Saatgut für alle frei verfügbar ist. Das ermöglicht eine vielfältige und dezentrale Pflanzenzüchtung – Grundlage für die Schaffung eines ökologischeren, faireren und regionaleren Ernährungssystems.
2. Saatgut-Commons fördern Regionalisierung: Natürlich wird eine regionale Wertschöpfung weniger stark von einem „Lockdown“ beeinflusst.3 Aber darüber hinaus ist sie ebenso gut für das Klima wie für die regionale Wirtschaft. Der Bereich Züchtung und Saatgutproduktion wird allerdings bei regionalen Wertschöpfungsketten häufig noch ausgeklammert. Wir plädieren daher dafür, dies zu ändern und auch das Thema Saatgut hier mitzudenken. Pflanzenzüchtung sollte uneingeschränkt und nah am Anbau stattfinden, um die Vielfalt und regionale Anpassung zu ermöglichen.4
3. Saatgut-Commons stärken Gemeinschaft: Covid19 hat die prekäre Lage der Arbeitskräfte in der Agrar- und Lebensmittel-Industrie beleuchtet. Natürlich mussten diese Menschen für unsere Versorgung weiterarbeiten – doch gesundheitsfördernde Hygiene-Regeln, Social Distancing usw. konnten vielerorts nicht gewährleistet werden. Diese Menschen arbeiten unter erhöhtem Risiko und trotz ihrer Systemrelevanz meist zu sehr geringen Löhnen. An dieser Stelle kommt der soziale Aspekt der open-source Idee zum Tragen. Open-source steht für Gemeinwohl, ein Commons steht für Bedürfnisorientiertheit und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe - etwas, was gerade in den kritischen Berufen im Bereich Gesundheit und Ernährung wegrationalisiert wurde.
4. Saatgut-Commons fördern gesunde Agrarsysteme: Aktuelle Forschung zeigt, dass eine enge Verbindung zwischen dem Aufkommen neuer Viren und unserem industriellen Agrarsystem besteht. Denn zum einen fördert die industrielle Landwirtschaft den Verlust natürlicher Lebensräume und diese Habitat-Zerstörung verstärkt die Interaktion zwischen Menschen und Wildtieren. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit einer Infektion erhöht. Zum anderen ist der Mensch-Tier Kontakt im Bereich der intensiven Tierhaltung ein weiterer Risiko-Faktor. In gesunden Systemen dagegen existieren natürliche Regulationsmechanismen, die Krankheitserreger in Schach halten und eine Übertragung von Viren auf den Menschen unwahrscheinlicher machen.5 Das heißt im Umkehrschluss: die Ökologisierung unserer Landwirtschaft und eine möglichst sinnvolle und nachhaltige Nutzung der vorhandenen Flächen ist gelebte Viren-Prävention. Und Voraussetzung dafür ist wieder: Eine vielfältige Pflanzenzüchtung, welche die passenden Sorten für die verschiedensten Standorte anbieten kann.
5. Saatgut-Commons sind Teil der Veränderung, die wir jetzt brauchen: Eine Reihe von Maßnahmen wurde angestoßen, die zumindest ein kleiner Vorgeschmack auf ein neues, widerstandfähigeres Ernährungssystem sein könnten. So hat beispielsweise die kanadische Provinz British Columbia die Arbeit von Gemeinschäftsgärten und Bauernmärkten als systemrelevant eingestuft.6 Die aus der Krise gewonnenen Erkenntnisse werden der Idee, Saatgut als Gemeingut zu behandeln, weiter Rückenwind geben. Und das ist wichtig, denn auch wenn Corona irgendwann einmal überwunden ist: der Klimawandel ist es noch lange nicht. #FightEveryCrisis
leicht gekürzter Newsletter der OpenSourceSeeds: https://opensourceseeds.org: "Gemeingut braucht Gemeinschaft. Denn vielfältiges Saatgut braucht vielfältige Menschen"