Seit vier Monaten begleitet dieser Blog solidarische Praktiken, die sich in der Coronakrise (weiter)­entwickelt haben. Trotz und gerade auch wegen des Lockdowns - viel hat sich in dieser Zeit bewegt. Auch im Alltagsverstand. Dieser abgebildete Spiegel.de-Aufmacher vom 5. Juli - ohne erkennbaren Bezug auf einen Artikel - wäre er vor der Pande­mie so erschienen?

Gleichzeitig lässt die Krise Ungleichheiten wie im Brennglas deutlich werden, sowohl zwischen arm und reich als auch rassistische, sexistische und zwischen anderen Identitätskategorien. Manchmal war die solidarische Praktik, die damit verbunden ist, erst auf den zweiten Blick sichtbar. Sich darauf zu konzentrieren, ist eine Sache der Überzeugung, dass es weniger an Kritik mangelt, als an der Anerkennung der Tatsache, dass wir zwar nicht den ganzen Weg, aber doch immer die nächsten Schritte entlang der Grundprinzipien solidarischen Handelns kennen oder erkennen können. Die in diesem Blog verwendeten tags sind solche Orientierungen. Dazu gehört die Über­zeugung, dass Wege im Gehen entstehen.

Nachdem dieser Blog als Gemeinschaftsprojekt entstand, war er doch vom ersten Post an zu meinem* 'Baby' geworden - mit technischem Support und anderer Unterstützung sowie mit Zusendungen von Menschen, die davon erfahren hatten. Vier Monate lang war der Impuls täglich da, aus der Liste möglicher Themen auszuwählen und gleichzeitig die aktuellen Geschehnisse nicht außer acht zu lassen. Manchmal veralteten Themen auf diese Weise, wie letztens der Freispruch von Hagen Kopp wegen Aufrufs zum Bürgerinnenasyl. Doch der tägliche Rhythmus war ein Kompromiss mit den eigenen zeitlichen Möglichkeiten.

Manche Themen, die anfangs noch neu wirkten und nur nicht gebracht wurden, weil es immer so viel anderes gab, wirkten schnell in der ursprünglichen Form überholt – denn das gesellschaftliche Bewusstsein hatte sich bereits gewandelt. Hin zu neuen Selbstverständlichkeiten: Dass Care #systemrelevant ist. Dass Einkommen nicht an Arbeit gekoppelt sein muss. Dass Wohnen ein Grundrecht ist. Dass Weiße ihre Privilegien anerkennen und bekämpfen sollten - hierzu hat erst die Bewegung zu #leavenoonebehind und dann Black Lives Matter beigetragen. Hin zu Überlegungen eines Umbaus der Gesellschaft auf allen Ebenen, wie die Diskussionen zuletzt um Polizei und Gefängnis beispielhaft zeigen.

Die ökonomischen Stoßrichtungen habe ich parallel dazu im Netzwerk Ökonomischer Wandel (NOW) mit in die gesellschaftliche Debatte einbringen dürfen: erstens den Staat umfassend demokratisieren (und ein Grund­aus­kommen gesellschaftlich garantieren); zweitens den Markt auf Gemeinwohl ausrichten (und den Konkurrenz­mechanismus dadurch zunehmend abbauen) und drittens Commons aufbauen (also jenseits von Markt und Staat bedürfnisorientierte Strukturen tauschlogikfrei aufbauen). Hin zu dem, was ich Ecommony nenne, was aber viele Namen hat.

Viel ist aufgebrochen, nicht alles wird gut werden – aber es machen viele viel, damit es gut wird. Ein großer Dank an alle, die an solidarischen Praktiken beteiligt sind, welche ineinandergreifen und größeren Wandel bewirken können.

Der tägliche Rhythmus dieses Blogs wird unterbrochen. Vielleicht bleibt dies der letzte Eintrag. Vielleicht will doch morgen schon etwas unbedingt noch dazukommen. Vielleicht werden einige Themen mit Updates ergänzt. Vielleicht geht es nach einer Sommerpause weiter. Vielleicht ändert sich die Ausrichtung. Vielleicht geht dieses in ein neues Projekt über.

So oder so - es wird wieder unter dem Motto stehen: Es ist, was es ist. Es wird, was wir draus machen.

*Friederike Habermann

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